Das mysteriöse Ende einer Kultur

So beeindruckend die Entwicklung der Maya voranging, so schnell trat auch der Verfall ein:

Ende des 8.ten Jhdts. begann der Verfall der einzelnen Stadtstaaten. Für uns bis heute unerklärlich sind die Hintergründe, denn es handelte sich nicht etwa um den Untergang eines Stadtstaates sondern um die Aufgabe von allen Stätten . Im Laufe der Menschheitsgeschichte stiegen immer wieder Kulturen auf, und mit Regelmäßigkeit gingen sie wieder unter. Insofern bilden die Maya keine Ausnahme. Das Ungewöhnliche jedoch am klassischen Maya-Zusammenbruch ist, daß selten eine so große Population verschwand und ein so weites Gebiet fast unbewohnt zurückgelassen wurde.

Letzte Zeugnisse legen die auf den Stelen verewigten Inschriften ab:

Aguateca, Yaxha, Bonampak, Palenque, La Amelia (Petexbatun),Yaxchilan,

Chinkultic,Calakmul, Naranjo und Quirigua wurden nacheinander innerhalb eines Zeitraumes von zwanzig Jahren aufgegeben.

Eine zweite Welle erfaßte die Stätten Copan, Altar de los Sacrificios, Machaquila, Ucanal, Xunantunich, Caracol, Tikal, Ixlu, La Muneca, Xultun, Jimbal, Seibal, Uaxactun und das "alte" Chichen Itza Mitte des 9.ten Jhdts..

Über mögliche Ursachen gibt es die unterschiedlichsten Theorien, die wohl noch lange Zeit nur Theorien bleiben werden, denn die Spanier, allen voran Bischof Diego de Landa, vernichteten fast alle Schriften der Maya.

Rätselhaft um so mehr, als daß z.B. Caracol von den Archäologen aufgefunden wurde, als habe das ganzes Volk schlagartig Alles stehen und liegen gelassen und sei in Panik vor irgendetwas geflohen. Daraus ließe sich folgern:

1. Theorie: Einfall fremder Stämme (evtl. Tolteken).

In Copan wiederum dauerte es fast vierhundert Jahre vom Beginn des Verfalls mit dem Tod des letzten Königs, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Stätte gänzlich verlassen war (1200 n.Chr.). Daraus ließe sich folgern:

2. Theorie: Auflehnung der unteren Schichten (Revolution) gegen die herrschende Priesterkaste, die ihren Wissensvorsprung dazu benutzte, das Volk zu unterdrücken.

In Joya de Ceren (heute: Laguna Celdera ; El Salvador) wurde im 6.ten Jhdt. ein ganzes Mayadorf mit Tausenden von Menschen bei einem Vulkanausbruch mit einer 5m hohen Ascheschicht bedeckt. Daraus ließe sich folgern:

3. Theorie: Naturkatastrophen

Sicher ist also, daß für den Untergang der Maya- Kultur nicht nur ein Umstand ausschlaggebend gewesen sein kann. Erstaunlich ist es aber, daß die Summe mehrerer negativer Faktoren zum fast schlagartigen Untergang einer ganzen Kultur geführt hat.

Weitere Hinweise könnten uns Forschungen in den "jungen" Maya- Stätten der postklassischen Periode wie Lubantuun (Belize) geben, die zeitgleich mit der Zerfallsperiode entstanden sind. Sofern kein toltekischer Einfluß nachweisbar ist, wird sich herausstellen, wie sich die kulturellen und politischen Strukturen von denen der alten Maya- Stätten unterscheiden. Ein Aspekt könnte die Population sein, denn in den postklassischen Stätten betrug sie in der Regel nur 1000 Einwohner auf den Quadratkilometer. Die durch Überpopulation bedingte Nahrungsknappheit in den klassischen Stätten ließe sich durch Skelettfunde in Tikal und in Altar de los Sacrificios belegen. Die Körpergröße der Erwachsenen nahm während der Spätklassik ab und Zahn-und Knochenanomalien nahmen zu. Daraus ließe sich folgern:

4. Theorie: Übervölkerung

Auch könnte der Vergleich mit Stätten, die von dem Zerfall nicht betroffen gewesen zu sein scheinen, weitere Aufschlüsse über den Niedergang der alten Kultur geben.

Allen Stätten voran ist hier wohl Lamanai (Belize) zu nennen, die schon um 1500 v.Chr. erbaut wurde und bis zum 16.ten Jhdt. bewohnt war. In Lamanai finden wir weniger Stelen als in anderen Maya- Stätten. Wir können also davon ausgehen, daß es sich bei der Gesellschaftsform um ein ahistorisches Königtum handelte.

Altun Ha (Belize), das überhaupt keine Stelen aufzuweisen hat, was demzufolge ebenfalls auf ein ahistorisches Königtum schließen läßt, überlebte die Zerfallsperiode jedoch auch nur bis zum 10.ten Jhdt..

Betrachten wir den äußeren Einflußbereich der einzelnen Reiche, so können wir feststellen, daß sowohl Lamanai als auch Tikal, das bereits von der zweiten Zerfallswelle im 9.ten Jhdt. betroffen war, regen Handel mit der Region von Teotihuacan betrieben hatten.

Erwiesen scheint hingegen zu sein, in welcher Chronologie der Zerfall der klassischen Maya- Reiche ablief:

Herrscher und Hofstaat existierten nicht mehr.

Die Priesterkaste, die das Wissen um die Ritualpraktiken trug, verschwand.

Inschriften hörten auf und Neubauten wurden nicht erstellt.

Die Bevölkerung (niedere Schichten) nahm ab.


Fassen wir also zusammen:

Der Aufstieg der Maya- Kultur geschah fiel zu schnell als daß alle neuen Probleme die mit dem schnellen Bevölkerungswachstum zusammenhingen von den Herrschenden hätten bewältigt werden können. Der Unmut der einfachen Bevölkerung wuchs. Der Tribut, den sie letztendlich zahlen mußte durch Fronarbeit bei Tempel- und Straßenbauten, sowie Kriegsdiensten und gleichzeitig zunehmender Nahrungsknappheit war einfach zu hoch. Die Mehrfelderwirtschaft laugte den Boden aus, so daß immer mehr Urwald der Brandrodung zum Opfer fiel. Dadurch entstand ein Mangel an den Früchten des Waldes, die die nötigen Vitamine enthielten um das Immunsystem der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Das wiederum hatte eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten zur Folge.

Je stärker die Autorität der Herrscherklasse und je historisierender das Königtum war (erkenntlich an der Anzahl der errichteten Stelen), desto größer muß auch der Widerstand im Volk gewesen sein. Somit war ein Kreislauf erreicht, der die Herrschenden nötigte noch mehr Kriege gegen die Nachbarstädte zu führen um Sklaven, Nahrung und Ruhmzu erlangen.

Auch wuchs, wie bei den Tolteken, der Unmut gegen die Praxis der Menschenopferung.Man kann also annehmen, daß sich die Herrschenden realitätsfremd von der Basis entfernt hatten und Entscheidungen trafen, die das Volk nicht mehr mitzutragen bereit war.

Schließlich aber, unter dem Druck der Bevölkerung, lösten sich die hierarchischen Strukturen auf. Tempelbauten und Häuser der Priester und Herrschenden wurden okkupiert. Das Volk bewohnte nun aufgrund der Wohnraumknappheit die Tempelanlagen, die zu Wohnzwecken umgebaut wurden. Davon zeugen zugemauerte Fenster und Türen, sowie die Teilung ehemals großer Hallen in kleine Wohneinheiten. Das benötigte Baumaterial wurde durch Plünderung und Abriß nicht benötigter oder schon vom Verfall betroffener Bauwerke genommen. Das Sozialsystem brach völlig zusammen. Der Müll wurde einfach auf aus den Türen auf die Plazas geworfen. Ritualhandlungen gab es nicht mehr, da ja die wissende Priesterkaste nicht mehr existierte. Man versuchte einige Überlieferungen aufrechtzuerhalten, pervertierte jedoch oftmals gänzlich den ursprünglichen Sinn. So wanderten Stelen von den ehemaligen Zeremonialstätten vor die Hütten der Bevölkerung. Daß man dabei aus einer Reihe mit neun Stelen (Glückszahl) durch Entfernen einer einzigen eine Reihe von acht Stelen (Unglückszahl) machte, wußte vom Volk niemand.

Mangels zentraler Organisation wurde die Versorgung noch bedrohlicher. Schließlich versuchten viele durch Stadtflucht zu überleben, indem sie verstreut in einem riesigen Gebiet ihre Hütten errichteten. Die Nachfahren dieser Maya- Generation findet man heute noch im Gebiet von Yucatan. Kaum behelligt von der spanischen Conquista leben sie dort noch wie vor hunderten von Jahren. Über ihren eigenen Ursprung und die ehemalige Größe ihrer Kultur wissen sie leider nichts mehr !

Von den Behörden nicht erfaßt, sind fast alle Analphabeten und leben vom Mais, den sie auf kleinen Feldern bewirtschaften. Wilde Früchte und hin und wieder ein Stück erlegtes Wild sind die weitere Nahrung. Wenige halten Vieh und wenn, dann lediglich Schweine und Truthähne.

Doch ist es heute schon abzusehen, daß dieser Maya- Generation zum erneuten Male Unrecht angetan wird. Umfangreiche Gebietsreformen nehmen ihnen zunehmend das bis heute freie Land zum Maisanbau und somit ihre Existenzgrundlage. Die Unruhen 1994 im Bundesstaat Chiapas (Mexiko) hatten genau diese Ursache. Dafür mußten wir bei unserem letzten Besuch inYukatan 1997 feststellen, daß es in vielen Maya-Hütten bereits elektrische Energie gibt- und, so kurios es auch klingen mag, in diesen auch ein TV-Gerät zu finden ist, welches den ganzen Tag läuft. Kurios deshalb, weil die meisten Programme in amerikanischer bzw. spanischer Sprache laufen, welche die wenigsten Maya beherrschen.


Die Kenntnis vom Aufstieg und Zerfall vergangener Kulturen ist für die gegenwärtige Gesellschaft von erheblicher Bedeutung. Wir können Parallelitäten zur Gegenwart erkennen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Allzuoft ist Arroganz und Überheblichkeit hinderlich beim Erkennen von

Gemeinsamkeiten zwischen Vergangenheit und Gegenwart !

Fast zwei Jahrhunderte richtete sich das Hauptaugenmerk der Archäologie auf die alten Kulturen Europas, Nordafrikas und Asiens. Die Erforschung der alten Kulturen der neuen Welt jedoch wurde aus Überheblichkeit der alten Welt bis zum Ende des 19.ten Jhdts. total vernachlässigt.

Zudem behindern gegenwärtig Geldmangel und wirtschaftliches Desinteresse der betreffenden Regierungen ein schnelleres Vorankommen der archäologischen Nachforschungen in den Heimatländern der Maya.

So ist es auch zu erklären, daß bis heute nur etwa 10 % der Maya- Stätten erforscht sind.


Das Leben der klassischen Maya

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Text, Fotos, Musik und Webdesign : Thomas Hamann

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